Psychische Leiden erkennen und handeln

"Irgendwann kam der Punkt, an dem ich verstanden habe: Da stimmt etwas nicht."
Markus Miller, ehemaliger Torwart von Hannover 96

Mit psychischen Erkrankungen verantwortungsvoll umgehen

  • Welche psychischen Erkrankungen können bei Spielern auftreten?
  • Woran erkenne ich, ob eine psychische Erkrankung vorliegt?
  • Was soll ich tun, wenn ich eine psychische Erkrankung vermute?

Depressionen, Ängste, Essstörungen oder Suchterkrankungen – auch Sportler können psychisch krank werden. Die Folge: Enormer Leidensdruck und verminderte Leistungsfähigkeit bis hin zum Leistungsausfall. Für viele Spieler sind seelische Erkrankungen in einem auf Wettkampf und Leistung ausgerichteten Umfeld noch immer ein Tabuthema – ein Zustand, der die psychischen Leiden sogar noch verschärfen kann.

Trainer brauchen deswegen eine besondere Sensibilität im Umgang mit psychischen Erkrankungen. Durch offene Kommunikation, Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen können sie dafür sorgen, dass seelische Leiden frühzeitig erkannt und behandelt werden.
 

Wenn die Seele leidet: Psychische Erkrankungen bei Spielern

Auch wenn Sport eine Beschäftigung ist, die normalerweise dem Auftreten von psychischen Erkrankungen vorbeugen kann und sogar als Maßnahme bei solchen Erkrankungen eingesetzt wird, sind auch Leistungssportler nicht davor geschützt. Tatsächlich werden in dieser Zielgruppe ähnlich viele psychisch Erkrankte wie in der Normalbevölkerung vermutet.
 

Breite Ursachen: Genetische und soziale Faktoren

Ob eine psychische Erkrankung auftritt oder nicht, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab: Meistens ist es ein Zusammenspiel biologischer und situativer Faktoren in Kombination mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften, aus denen eine psychische Erkrankung entsteht.
 

Im Leistungssport tauchen folgende psychischen Erkrankungen vermehrt auf:

  • Depressionen
  • Angststörungen
  • Suchterkrankungen
  • Essstörungen

Wichtig: Psychische Erkrankungen sind ebenso gut heilbar wie körperliche. Dies zu wissen, ist ein erster Schritt zum erleichterten Umgang mit seelischen Leiden. Eine frühzeitige Diagnose und ein verständnisvolles Umfeld tragen dazu bei, dass Betroffene schnell die erforderliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Erholungsmanagement für Körper und Psyche

Mangelnde Erholung hat gravierende Folgen: Sie behindert nicht nur die körperliche Leistungssteigerung wie Muskelwachstum und Herz-Kreislauf-Anpassung, sondern auch die Verarbeitung psychischer Beanspruchungen, zum Beispiel durch Misserfolge oder Lernbelastungen. Durch angemessene Erholung lassen sich also körperliches Übertraining und psychische Dysbalancen bis hin zu Stresserkrankungen vermeiden.

Als Trainer ist es wichtig, auf individuelle Regenerationszeiten der Spieler zu achten. Es gibt eine Vielzahl typischer Anzeichen, die auf psychische Überlastung hinweisen – von Reizbarkeit bis Magen-Darm-Beschwerden. Treten diese gehäuft auf, sollte in jedem Fall das Gespräch gesucht werden. Anschließend gilt es, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie der Überlastung zukünftig entgegengewirkt werden kann. Mit dem Einbau von Regenerations- und Ruhezeiten in den Wochenplan können die Spieler lernen, Zeiten für sich zur Erholung zu nutzen.

Tipps und Lösungen

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob es Ihren Spielern gut geht, wenden Sie sich an Beratungs- und Hilfseinrichtungen (siehe Link), die Ihnen psychiatrische, psychotherapeutische oder psychologische Beratung bieten. Diese Einrichtungen können Screening-Verfahren durchführen und – wenn nötig – eine Therapie veranlassen. Telefonische Beratung im Notfall bietet die Hotline "seelische Gesundheit im Sport" (05105-77 55 55 0), die von der Robert-Enke-Stiftung ins Leben berufen wurde.

Vermitteln Sie Ihren Spielern, dass eine psychische Erkrankung kein Zeichen von Schwäche ist, sondern häufig eine "Verletzung der Seele", die wie eine körperliche Verletzung sehr gut behandelbar und heilbar ist. So zeigen Sie, dass Sie für die Thematik offen sind und Verständnis haben, wenn Spieler wegen psychischer Erkrankungen pausieren müssen.

Knüpfen Sie Kontakte zu Fachleuten in der Sportpsychotherapie und Sportpsychiatrie. Dort werden Sie beraten und können Ihre Spieler vertrauensvoll weitervermitteln.

Seien Sie aufmerksam und befragen Sie Ihre Spieler regelmäßig nach ihrem Befinden. Sie können dies entweder im Gespräch tun oder sogenannte Monitoring-Verfahren (z. B. im Prevention-Management-Tool) nutzen, die Ihnen in kurzer Zeit einen Einblick über die Befindlichkeit Ihrer Spieler geben. Treten hierbei über einen längeren Zeitraum auffällige Werte auf, sollten Sie gemeinsam mit den Betroffenen die Ursache hinterfragen und mit Hilfe von Fachleuten eine behandlungsbedürftige Erkrankung ausschließen. Ist dies der Fall, sollte eine erfahrene Sportpsychologin oder ein erfahrener Sportpsychologe mit der betroffenen Person weiterarbeiten und sie im Trainings- und Wettkampfprozess begleiten.

Bleiben Sie hellhörig, wenn Ihre Spieler äußern, dass ihnen "momentan alles zu viel wird", dass "die Lust gerade total abhandengekommen ist" oder dass ihnen nicht mehr klar ist, "wo in allem noch der Sinn liegt". Hier sollten Sie nachfragen, was genau hinter diesen Äußerungen steckt: Ist es nur der momentane Frust, zum Beispiel aufgrund einer Nichtnominierung, oder eine ernste, anhaltende Problematik?

Quelle

von:

Marion Sulprizio und Jens Kleinert Psychologisches Institut, Deutsche Sporthochschule Köln

Der Inhalt dieser Seite ist mit Genehmigung des Herausgebers

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,
Friedrich-Henkel-Weg 1-25
44149 Dortmund

Geschäftsstelle der Initiative Neue Qualität der Arbeit
c/o Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Nöldnerstr. 40-42
10317 Berlin

Aus folgender Veröffentlichung entnommen:

Sulprizio, M. & Kleinert, J. (2014). Kein Stress mit dem Stress. Tipps und Lösungen für mentale Stärke und psychische Gesundheit im wettkampforientierten Leistungssport. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Kap. 5 Psychische Erkrankungen).

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