Arbeitsmedizinische Online-Untersuchungen? Zusätzlicher Prüfaufwand für Unternehmen 

Als Arbeitgeberin beziehungsweise Arbeitgeber sind Sie dazu verpflichtet, die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz Ihrer Beschäftigten zu gewährleisten. Dabei helfen der von Ihnen bestellte Betriebsarzt oder arbeitsmedizinische Dienstleister.

Für viele Tätigkeitsfelder sind zum Beispiel arbeitsmedizinische Pflichtvorsorgen oder Eignungsfeststellungen eine Voraussetzung, um in bestimmten Bereichen sicher arbeiten zu können. Insbesondere Eignungsfeststellungen sind für Sie als Arbeitgeberin beziehungsweise Arbeitgeber die Grundlage der Personalsteuerung, wenn Mitarbeitende anspruchsvolle Aufgaben ausführen sollen.

Zunehmend bieten sich Firmen an, arbeitsmedizinische Vorsorgen oder Eignungsbeurteilungen ausschließlich online durchzuführen. Unternehmen sollten diese Angebote kritisch prüfen und sich nicht nur von günstigen Preisen locken lassen.

Die folgenden Vertragsinhalte sollten Sie vorab mindestens prüfen:

Arbeitsmedizinische Vorsorge, ArbMedVV, Betriebsarzt, Gefahrstoffe, Gesundheitsschutz, betriebsärztliche Betreuung, Eignungsuntersuchungen, Arbeitsmedizin, Beratung, Gefährdungen, Pflichtvorsorge, Wunschvorsorge, Nachgehende Vorsorge

1. Warum Sie eine arbeitsmedizinische Online-Untersuchung nur im Ausnahmefall beauftragen sollten 

Die Verwendung digitaler Kommunikationsmedien für eine ärztliche Leistung ist nur unter bestimmten Bedingungen zulässig. Grundsätzlich muss für jeden individuellen Einzelfall geprüft werden, ob die ärztliche Leistung überhaupt ohne direkten persönlichen Kontakt zum Beschäftigten erbracht werden darf.

In jedem individuellen Einzelfall muss daher vorab geklärt werden, ob eine Online-Untersuchung und/oder Online-Beratung ärztlich vertretbar ist und die erforderliche Sorgfalt gewahrt bleibt. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Art und Weise der Befunderhebung als auch in Bezug auf Beratung, arbeitsmedizinischer Empfehlungen, Datenschutz beziehungsweise Schweigepflicht sowie Dokumentation. 


2. Untersucht ein Arzt mit arbeitsmedizinischer Fachkunde?

Arbeitsmedizinische Vorsorgen dürfen nur von Ärzten mit arbeitsmedizinischer Fachkunde vorgenommen werden, das heißt, „Fachärzte für Arbeitsmedizin“ oder Ärzte, die die Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ führen dürfen.
Lassen Sie sich von Ihrem Online-Dienstleiter bescheinigen, dass er ausschließlich Ärzte mit der oben genannten Fachkunde für die Untersuchungen beauftragt und diese Untersuchungen auch nur von derart Qualifizierten durchgeführt und bescheinigt werden. 
 

3. Kennt der beauftragte Online-Dienstleister die Arbeitsplätze Ihres Unternehmens? 

Die wesentliche Voraussetzung, um eine arbeitsmedizinische Vorsorge oder Eignungsbeurteilung vornehmen zu können, sind die Kenntnisse der Gefährdungen am Arbeitsplatz und der Arbeitsaufgabe. Nur vor dem Hintergrund dieser Arbeitsplatzkenntnisse ist ein Arzt in der Lage, zum Beispiel gesundheitliche Einschränkungen sachgerecht einordnen und beurteilen zu können. Nur dieses Hintergrundwissen erlaubt es, eine festgestellte gesundheitliche Einschränkung als noch tolerierbar einzuschätzen oder sie am zukünftigen Arbeitsplatz als ein nicht vertretbares Risiko anzusehen.
 

4. Wesentliche Kriterien, die zur Beurteilung notwendig sind, bleiben online unberücksichtigt 

Ärztliche Dienstleistungen sind grundsätzlich vom Arzt im persönlichen Kontakt zu erbringen. Insbesondere bei einer Eignungsfeststellung beurteilt der Arzt unter anderem die Körpersprache, er achtet auf Auffälligkeiten im Verhalten (zum Beispiel Zittern, Gangbild, Gleichgewicht, Muskelkraft) oder sensorische Eindrücke, wie zum Beispiel Geruch, Färbung der Haut beziehungsweise der Schleimhäute. Diese Eindrücke sind essenziell, um beurteilen zu können, ob Ihr Mitarbeiter oder Ihre Mitarbeiterin für die jeweilige Tätigkeit geeignet ist. Online können diese Aspekte in der Regel nicht wahrgenommen werden.
 

5. Können online wesentliche Befunde durch technische Online-Untersuchungen erhoben werden?

Medizinische Fachgesellschaften haben für bestimmte qualitätsgesicherte Untersuchungsverfahren Empfehlungen veröffentlicht. Dazu zählen unter anderem die Empfehlungen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) für Augenuntersuchungen. Allerdings stehen zum Zeitpunkt der Texterstellung zum Beispiel für die Sehfähigkeits- und Gesichtsfelduntersuchung keine Online-Untersuchungsmethoden zur Verfügung, die qualitätsgesicherte, valide Untersuchungsbefunde liefern.

Andere technisch aufwendige Untersuchungen wie die Prüfung der Hörfähigkeit, Fahrradergometer- oder Lungenfunktionsuntersuchung können derzeit gar nicht online durchgeführt werden. 
Bevor Sie Online-Dienstleistungen beauftragen, lassen Sie sich daher vom Dienstleister bescheinigen, dass nur technische Untersuchungsverfahren verwendet werden, die auch von den jeweiligen medizinischen Fachgesellschaften für die Online-Anwendung empfohlen werden und die erhobenen Daten ausschließlich für den beauftragten Zweck Verwendung finden (Achtung: Verkauf der Daten für Studienzwecke).
 

6. Wer berät Ihre Beschäftigten nach Abschluss der Online-Untersuchung?

Nicht selten werden medizinische Befunde erhoben, die Ihren Beschäftigten erläutert oder in deren individuelle gesundheitliche und/oder berufliche Situation eingeordnet werden müssen. Achten Sie als Auftraggeberin beziehungsweise Arbeitgeber darauf, dass auch diese essenzielle ärztliche Beratung im Nachgang zu einer Online-Untersuchung vom untersuchenden „Online-Arzt“ mit arbeitsmedizinischer Fachkunde erbracht wird. Wenn der Dienstleister Sie nach Abschluss einer solchen Untersuchung auf einen erforderlichen Beratungsbedarf verweist, ohne diesen selbst durchzuführen, stehen Sie als Arbeitgeber wieder in der Pflicht, einen geeigneten Arzt mit arbeitsmedizinischer Fachkunde zu finden, der Ihre Beschäftigten in Ihrem Unternehmen beraten kann. 
 

7. Gewährleistet die Online-Untersuchung die Datensicherheit?

Die Online-Erhebung medizinischer Befunde ist eine telemedizinische Tätigkeit. Telemedizin unterliegt besonderen berufsrechtlichen und Datenschutzanforderungen, unter anderem hinsichtlich der zu verwendenden digitalen Infrastruktur. Lassen Sie sich von Ihrem Online-Dienstleiter bescheinigen, dass er ausschließlich die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung definierte technische Infrastruktur zur Erhebung und dem Übertragen von vertraulichen Daten und Befunden verwendet. 
 

8. Erhalten Sie als Arbeitgeber eine abschließende Eignungsfeststellung/ Vorsorgebescheinigung?

In der Praxis wurde beobachtet, dass bestimmte Online-Dienstleister nur „vorläufige Eignungs- oder Vorsorgebescheinigungen“ ausstellen beziehungsweise die Atteste mit dem Zusatz „ohne Gewähr“ versehen. Auf der Grundlage unfertiger oder vorläufiger Eignungs- beziehungsweise Vorsorgebescheinigungen können keine Entscheidungen zur Personalsteuerung oder eines Personaleinsatzes getroffen werden. Eine nicht abgeschlossenen Eignungsbeurteilung birgt rechtliche Risiken für Sie als Arbeitgeber oder Arbeitgeberin, bei denen Sie unter anderem mit dem Vorwurf des Organisationsverschuldens konfrontiert werden können (Beweislastumkehr droht). Kommt es zum Schadensfall in Ihrem Betrieb, besteht keine rechtliche Sicherheit mehr, da unter Umständen relevante Aspekte für eine Eignungsfeststellung Ihrer Beschäftigten außer Acht gelassen und nicht dokumentiert wurden.

Beauftragen Sie nur ärztliche Online-Dienstleistungen, wenn sie eine endgültige ärztliche Bescheinigung über die arbeitsmedizinische Vorsorge oder die Eignungsbeurteilung erhalten. Sie als Arbeitgeber tragen die Verantwortung, die rechtlichen Rahmenbedingungen in puncto Arbeitsschutz einzuhalten. Nicht abgeschlossene Untersuchungen und Beratungen führen dazu, dass Sie am Ende nicht nur Geld für eine wertlose Bescheinigung ausgeben, sondern auch in Haftung genommen werden können (siehe weiter oben: Organisationsverschulden als Vorwurf). 


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Es gelten

  • die Regelungen der Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (BÄO
  • die DGUV Vorschrift 2
  • das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG)
  • sowie die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV).

Checkliste zur Umsetzung rechtssicherer arbeitsmedizinischer Vorsorge- /Eignungsuntersuchungen

AMS - Arbeitsschutz mit System, VBG-Fachwissen, Begutachtung, Laptop, Büroarbeit, Checkliste
  1. Kennt der Online-Dienstleister die Arbeitsplätze, die Gefährdungen und die Arbeitsaufgaben?
     
  2. Kann für Eignungsbeurteilungen tatsächlich auf eine Präsenzuntersuchung verzichtet werden?
     
  3. Verwendet die Online-Untersuchung qualitätsgesicherte, valide Methoden, die auch von den medizinischen Fachgesellschaften empfohlen wurden?
     
  4. Werden Ihre Beschäftigten nach der Online-Vorsorge/-Untersuchung vom Online-Dienstleister ärztlich fachkundig beraten?
     
  5. Wird zur Datenübertragung eine Technik beziehungsweise ein Technikdienstleister verwendet, die/der den Anforderungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gerecht wird?
     
  6. Erhalten Sie als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber eine abschließende Vorsorge-Bescheinigung, beziehungsweise werden Ihre Eignungsfragen abschließend beantwortet?


    Es liegt an Ihnen: Die arbeitsmedizinische Vorsorge und Eignungsfeststellungen sind wichtige Bestandteile des medizinischen Arbeitsschutzes Ihres Betriebes. Nur, wenn die Beratungen und die gegebenenfalls erforderlichen Untersuchungen rechtssicher durchgeführt und dokumentiert werden, sind Sie und Ihre Beschäftigten auf der sicheren Seite. 

    Bei Fragen zu diesem Thema beraten Sie gern die Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner der zuständigen Arbeitsschutzbehörde beziehungsweise der jeweiligen VBG-Bezirksverwaltung.