Arbeitsmedizinische Vorsorge und Eignungsuntersuchung unter Berücksichtigung der Telemedizin 

Als Arbeitgeberin beziehungsweise Arbeitgeber Sie dazu verpflichtet, die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz Ihrer Beschäftigten zu gewährleisten. Dabei unterstützt Sie Ihr Betriebsarzt beziehungsweise Ihre Betriebsärztin. [1]
 

Für viele Tätigkeiten Beschäftigter sind eine arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge oder die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung Voraussetzung, um in diesen Bereichen arbeiten zu können.

Das Ergebnis ärztlicher Eignungsbeurteilungen ist für Sie als Arbeitgeberin beziehungsweise Arbeitgeber die Grundlage von Personalentscheidungen. Vor der Übertragung von Aufgaben an Beschäftigte, stellen Sie so deren Befähigung zur sicheren und gesundheitsgerechten Aufgabenerfüllung fest.

Zunehmend bieten Dienstleister an, arbeitsmedizinische Vorsorgen oder Eignungsbeurteilungen ausschließlich online durchzuführen. Unabhängig davon, ob diese mit einer Untersuchung, einer Beratung oder einer anderen medizinischen Maßnahme auf digitalem Wege (nachfolgend zusammengefasst mit „Online-Untersuchung“) verbunden sind, müssen stets die rechtlichen Anforderungen sowie die qualitätsgesicherten medizinischen Standards eingehalten werden, die Sie vor der Beauftragung dieser ärztlichen Leistungen prüfen sollten.

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[1] Diese Information gilt entsprechend, wenn für Ihr Unternehmen andere Versicherte als Beschäftigte tätig sind. 

Die folgenden Punkte sollten besonders beachtet werden:

Arbeitsmedizinische Vorsorge, ArbMedVV, Betriebsarzt, Gefahrstoffe, Gesundheitsschutz, betriebsärztliche Betreuung, Eignungsuntersuchungen, Arbeitsmedizin, Beratung, Gefährdungen, Pflichtvorsorge, Wunschvorsorge, Nachgehende Vorsorge

1. Ist eine Online-Untersuchung im konkreten Einzelfall möglich?

Die Verwendung digitaler Kommunikationsmedien für eine ärztliche Leistung ist nur im Einzelfall unter bestimmten Bedingungen zulässig. In jedem individuellen Einzelfall muss vorab geklärt werden, ob eine Online-Untersuchung und/oder Online-Beratung ärztlich vertretbar ist und die erforderliche Sorgfalt gewahrt bleibt. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Art und Weise der Befunderhebung als auch in Bezug auf Beratung, arbeitsmedizinischer Empfehlungen, Datenschutz beziehungsweise Schweigepflicht, sowie Dokumentation.  


2. Erfolgt die Vorsorge durch einen Arzt bzw. eine Ärztin mit arbeitsmedizinischer Fachkunde? 

Arbeitsmedizinische Vorsorgen dürfen nur von Ärzten vorgenommen werden, die die geschützte Gebietsbezeichnung „Facharzt/ Arzt für Arbeitsmedizin“ oder die Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ führen dürfen. Daher dürfen Sie nur Ärzte mit der oben genannten Fachkunde mit der Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge beauftragen.

3. Kennt der beauftragte Arzt beziehungsweise die beauftragte Ärztin die Arbeitsplätze Ihres Unternehmens?

Damit eine arbeitsmedizinische Beurteilung vorgenommen werden kann, muss sich ein beauftragter Arzt zuvor grundsätzlich Kenntnisse über die konkreten Arbeitsplatzverhältnisse mit allen Arbeitsbedingungen, der Arbeitsaufgabe und die arbeitsbedingten Gefährdungen des Beschäftigten verschaffen. Für die arbeitsmedizinische Vorsorge ist dies rechtlich verpflichtend.  

Nur vor dem Hintergrund dieser Arbeitsplatz- und fundierter Branchenkenntnisse ist ein Arzt in der Lage, gesundheitliche Einschränkungen sachgerecht einordnen und beurteilen sowie festgestellte gesundheitliche Einschränkung als noch tolerierbar oder als ein am Arbeitsplatz nicht vertretbares Risiko einschätzen zu können.

4. Kann eine Online-Untersuchung alle wesentlichen Befunde der Vorsorge oder der Eignungsfeststellung erfassen?

Ärztliche Dienstleistungen sind grundsätzlich im persönlichen Kontakt zu erbringen. Insbesondere bei einer Eignungsfeststellung beurteilt der Arzt bzw. die Ärztin unter anderem die Körpersprache, achtet auf Auffälligkeiten im Verhalten (zum Beispiel Zittern, Gangbild, Gleichgewicht, Muskelkraft) oder sensorische Eindrücke, wie zum Beispiel Geruch, Färbung der Haut beziehungsweise der Schleimhäute. Diese Eindrücke sind essenziell, um beurteilen zu können, ob Ihr Mitarbeiter oder Ihre Mitarbeiterin für die jeweilige Tätigkeit geeignet ist. Online können diese Aspekte in der Regel nicht mit der nötigen Beweiskraft wahrgenommen und erfasst werden.

5. Können wesentliche Befunde durch technische Online-Untersuchungen erhoben werden?

Technische  Untersuchungsverfahren müssen dem aktuellen Stand der in der Medizin allgemein akzeptierten Regeln und Erkenntnissen entsprechen. Die medizinischen Fachgesellschaften veröffentlichen dazu regelmäßig Empfehlungen für bestimmte qualitätsgesicherte Untersuchungsverfahren. Dazu zählen unter anderem die Empfehlungen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) für Augenuntersuchungen. Allerdings stehen zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Information (Stand: Oktober 2025) zum Beispiel für die Sehfähigkeits- und Gesichtsfelduntersuchung keine Online-Untersuchungsmethoden zur Verfügung, die qualitätsgesicherte und valide Untersuchungsbefunde liefern.

Andere technisch aufwendige Untersuchungen wie die Prüfung der Hörfähigkeit, Fahrradergometer- oder Lungenfunktionsuntersuchung können derzeit gar nicht online durchgeführt werden. Daher ist vor der Beauftragung von Online-Untersuchungen sicherzustellen, dass validierte technische Untersuchungsverfahren verwendet werden, die den aktuellen Empfehlungen der jeweiligen medizinischen Fachgesellschaften entsprechen.

6. Wer berät Ihre Beschäftigten nach Abschluss der Untersuchung?

Nicht selten werden medizinische Befunde erhoben, die Ihren Beschäftigten erläutert oder in deren individuelle gesundheitliche und/oder berufliche Situation eingeordnet werden müssen. Im Falle der arbeitsmedizinischen Vorsorge muss die ärztliche Beratung von einem Arzt bzw. einer Ärztin mit arbeitsmedizinischer Fachkunde erbracht werden. Erfolgt diese notwendige Beratung nicht, dann entspricht die durchgeführte Maßnahme schon allein deshalb nicht den rechtlichen Anforderungen an eine arbeitsmedizinische Vorsorge.

Wenn ein Dienstleister Sie nach Abschluss einer online-Untersuchung auf einen erforderlichen Beratungsbedarf verweist, ohne diesen selbst durchzuführen, stehen Sie als Arbeitgeber wieder in der Pflicht, einen geeigneten Arzt mit arbeitsmedizinischer Fachkunde zu finden, der Ihre Beschäftigten beraten kann. 

7. Sind die Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit bei Online-Untersuchungen sichergestellt?

Die Online-Erhebung medizinischer Daten ist eine telemedizinische Tätigkeit. Telemedizin unterliegt besonderen berufs- und datenschutzrechtlichen Regelungen, sowie Regelungen an die Sicherheit der verwendeten Informationstechnik. Danach müssen bestimmte technische und organisatorischen Maßgaben eingehalten werden. Qualitätsgesicherte technische Standards und Anforderungen an die technische Infrastruktur sind von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung definiert worden, um die sichere Erhebung und Übertragung dieser vertraulichen Gesundheitsdaten zu gewährleisten.

Ferner hat der online-Dienstleister sicherzustellen, dass alle erhobenen Daten und Befunde ausschließlich für die beauftragten (zum Beispiel der Eignungsfeststellung bzw. arbeitsmedizinischen Vorsorge) oder die damit rechtlich im Zusammenhang stehenden zulässigen Zwecke verarbeitet werden.  

8. Erhalten Sie als Arbeitgeberin beziehungsweise Arbeitgeber eine abschließende Vorsorgebescheinigung/Eignungsfeststellung?

Sie sollten darauf achten, dass nach Abschluss der ärztlichen online-Leistung nicht nur „vorläufige“ Vorsorge- beziehungsweise Eignungsbescheinigungen oder Bescheinigungen mit dem Zusatz „ohne Gewähr“ ausgestellt werden:

Auf der Grundlage „unfertiger“ oder nur „vorläufiger“ ärztlicher Bescheinigungen können Sie keine Personalentscheidungen treffen, die die Sicherheit und den Gesundheitsschutz Ihrer Beschäftigten gewährleisten sollen. Entscheidungen zur Personalsteuerung oder eines Personaleinsatzes, die mit bestimmten gesundheitlichen Eignungsvoraussetzungen verbunden sind, müssen auf verlässlichen und vorbehaltsfreien Erkenntnisgrundlagen beruhen: Eine mit dem Vorbehalt „vorläufig“ versehene Bescheinigung kann diese Erkenntnis nicht rechtssicher bieten.

Sie sollten daher besonders darauf achten, dass eine endgültige ärztliche Bescheinigung über die arbeitsmedizinische Vorsorge bzw. die Eignungsbeurteilung ausgestellt wird. Nur damit können Sie als Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberin Ihrer Verantwortung gerecht werden, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen in puncto Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in ihrem Unternehmen eingehalten werden. 


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Einschlägigen Rechtsnormen unter anderem:

  • Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (BO-Ä
  • DGUV Vorschrift 2
  • Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG)
  • Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV).
  • DVUV Vorschrift 1

Checkliste arbeitsmedizinischer Vorsorge beziehungsweise Eignungsbeurteilungen 

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  1. Erfolgt die Vorsorge durch einen Arzt mit arbeitsmedizinischer Fachkunde?
     
  2. Kennt der beauftragte Arzt die Arbeitsplätze und Arbeitsaufgaben Ihres Unternehmens? 
     
  3. Kann eine Online-Untersuchung alle wesentlichen Befunde der Vorsorge oder der Eignungsfeststellung erfassen?
     
  4. Können die wesentlichen Befunde durch technische Online-Untersuchungen erhoben werden?
     
  5. Werden Ihre Beschäftigten nach der Online-Untersuchung von einem Arzt mit arbeitsmedizinischer Fachkunde beraten?
     
  6. Sind die Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit sichergestellt?
     
  7. Erhalten Sie als Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber eine abschließende Vorsorgebescheinigung/Eignungsbeurteilung?
     

Es liegt an Ihnen: Die arbeitsmedizinische Vorsorge und Eignungsfeststellungen sind wichtige Bestandteile des medizinischen Arbeitsschutzes Ihres Betriebes. Nur wenn die Beratungen und die gegebenenfalls erforderlichen Untersuchungen rechtssicher durchgeführt und dokumentiert werden, sind Sie und Ihre Beschäftigten auf der sicheren Seite.  

Bei Fragen zu diesem Thema beraten Sie gern die Präventionsexperten der zuständigen Arbeitsschutzbehörde oder die Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner der jeweiligen VBG-Bezirksverwaltung.