Interessierte Selbstgefährdung

Fünf Warnsignale – und was Betroffene dagegen tun können

26.04.20243 min

Hamburg. Die Mittagspause ausfallen lassen, am Wochenende arbeiten oder krank an den Schreibtisch setzen – wenn das Arbeitspensum zu groß wird, überschreiten Beschäftigte häufig ihr Limit und gefährden ihre Gesundheit. Die Wissenschaft spricht hier von interessierter Selbstgefährdung. „Dabei handelt es sich um unterschiedliche Bewältigungsstrategien, die Mitarbeitende einsetzen, um mit hohem Druck bei der Arbeit umzugehen“, sagt VBG-Arbeitspsychologin Dr. Nicole Deci. „Diese Verhaltensweisen können zwar kurzfristig helfen. Langfristig lösen sie die Situation aber nicht und können sogar schaden.“

Die VBG hat fünf Warnsignale für interessierte Selbstgefährdung identifiziert und gibt Praxistipps, wie Führungskräfte und Beschäftigte diesen begegnen können.

Warnsignal 1: Grenzenlose und temporeiche Arbeit

Mobile Geräte ermöglichen es, fast immer und überall zu arbeiten. Wird zugunsten der Arbeit auf Erholungsphasen verzichtet, leidet die Gesundheit.

Praxistipp: Arbeitszeiten und Pausen einhalten, Freizeit nicht vernachlässigen

Erreichbarkeit darf nicht selbstverständlich sein. Vertretungen, Erreichbarkeits- sowie Reaktionszeiten im Team sollten definiert, klar kommuniziert und eingehalten werden. Auch Freizeitaktivitäten sollten unbedingt konsequent beibehalten werden: Menschen, die auf Pausen und einen gesunden Ausgleich verzichten, gefährden sich potenziell stärker als solche, die daran festhalten.

Warnsignal 2: Krank am Schreibtisch

Präsentismus bezeichnet ein Phänomen, bei dem Beschäftigte trotz Krankheit arbeiten oder auf ausreichende Regeneration verzichten. Das Risiko: Arbeitsqualität und Gesundheit der Betroffenen leiden.

Praxistipp: Präsentismus vermeiden

Krankheitsbedingte Ausfallzeiten einkalkulieren: Bleibt die Arbeit bei Abwesenheit liegen, ist es wahrscheinlich, dass Beschäftigte auch krank zur Arbeit erscheinen. Daher ist es wichtig, Puffer für Ausfalltage einzuplanen und Vertretungen klar zu regeln.

Führungskräfte sollten immer mit gutem Beispiel vorangehen und ebenfalls nicht krank zur Arbeit kommen. Beobachten sie bei Beschäftigten ein solches Verhalten, sollten sie dies vertraulich ansprechen.

Warnsignal 3: Problematischer Konsum

Ein Energydrink in der Mittagspause, ein Glas Rotwein zum Feierabend – klingt harmlos. Regel- oder übermäßiger Konsum leistungsfördernder oder entspannender Substanzen kann jedoch problematisch sein.

Praxistipp: Druck hinterfragen und nach Lösungen suchen

Problematischer Konsum entsteht oft, wenn die Arbeitsmenge zu groß und der Zeitdruck zu hoch sind. Diese Faktoren gilt es, im Blick zu behalten. Etwa mit einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung. Häufig gibt es zudem unentdeckte Potenziale, die helfen, Aufgaben oder Prozesse zu vereinfachen, zu schieben oder anders zu organisieren.

Wer nach Feierabend mit den Gedanken noch im Büro ist oder nicht in den Schlaf findet, sollte nach gesunder Entspannung suchen. Aktivitäten wie Sport, Yoga oder ein abendlicher Spaziergang können beim Abschalten helfen.

Warnsignal 4: Qualität im Sinkflug

Wer wegen des hohen Arbeitspensums Qualitätsabstriche macht, reduziert kurzfristig den Druck, muss mittelfristig aber mit negativen Konsequenzen rechnen. Wird der Qualitätsanspruch an die eigene Arbeit unterlaufen, kann auch die Psyche leiden.

Praxistipp: Arbeit priorisieren und Schwerpunkte besprechen

Sind Ziele zu hochgesteckt, sollten Beschäftigte dies der Führungskraft rückmelden. Manchmal hilft es bereits, gemeinsam Prioritäten zu setzen und sich auf die erwartete Qualität zu verständigen. Ebenfalls hilfreich: Die eigenen inneren Antreiber zu kennen. Menschen, die immer Perfektion erreichen wollen, verlieren Zeitaufwand und Kosten aus dem Blick. Wer weiß, wie er oder sie „tickt“, kann sich in Zeiten hoher Arbeitsbelastung besser hinterfragen und Prioritäten setzen.

Warnsignal 5: Folgenreiches Vortäuschen

Es kommt vor, dass Beschäftigte trotz Überlastung hohe Leistungsfähigkeit suggerieren, um die eigene Überforderung zu vertuschen. Das schadet langfristig der Gesundheit und dem beruflichen Erfolg.

Praxistipp: Realistische Ziele setzen

Es ist wichtig, dass Zielvorgaben erreichbar bleiben. Eine transparente Rückmeldung hilft, unrealistische Ziele anzupassen. Auch das Vertrauen der Beschäftigten in die Führungskraft kann verhindern, dass das Vortäuschen von Erfolgen zur Regel wird. Tritt das Vortäuschen häufiger auf, sollte die Führungskultur im Unternehmen überdacht werden.

Informationen zur interessierten Selbstgefährdung zum Hören: In zwei neuen Folgen des VBG-Podcasts „Hör Dich sicher!“ spricht Dr. Nicole Deci mit Prof. Dr. Andreas Krause von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) über interessierte Selbstgefährdung im Kontext hybrider Arbeit. Die erste Folge (Nr. 54) ist bereits online: https://www.vbg.de/cms/medien-center-und-warenkorb/podcast.

 Die zweite Folge (Nr. 55) erscheint am 30.04.2024. 

Über die VBG

Von A wie Architekturbüro bis Z wie Zeitarbeitsunternehmen – über 1,6 Millionen Unternehmen aus mehr als 100 Branchen sind Mitglied der gesetzlichen Unfallversicherung VBG. Die Berufsgenossenschaft steht ihren Mitgliedern in zwei wesentlichen Bereichen zur Seite: bei der Prävention von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie bei der Unterstützung im Schadensfall. Im Jahr 2022 wurden knapp 404.000 Unfälle und Berufskrankheiten registriert. Die VBG kümmert sich darum, dass Versicherte bestmöglich wieder zurück in den Beruf und ihr soziales Leben finden. 2.400 Beschäftigte an elf Standorten arbeiten an dieser Aufgabe mit. Darüber hinaus finden in den sechs Akademien die VBG-Seminare für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit statt. Neben Präsenz-Seminaren bietet die VBG auch verstärkt Web-Seminare für eine ortsunabhängige Weiterbildung an. 

Weitere Informationen: www.vbg.de

Belegexemplare sind stets erwünscht.

Ihre Ansprechpartnerin

Leiterin Öffentlichkeitsarbeit

Daniela Dalhoff

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