Verringerung der potentiell krebserregenden Stoffe durch Entwicklung eines neuen Erfassungssystems für Absauganlagen

Gerresheimer Lohr GmbH, Lohr

Best Practice Präventionspreis 2022

Gerresheimer Lohr GmbH: Verringerung der potentiell krebserregenden Stoffe durch Entwicklung eines neuen
Erfassungssystems für Absauganlagen, VBG_NEXT

Ausgangslage und Ziel

Die Gerresheimer Lohr GmbH entwickelt und produziert mit rund 450 Beschäftigten unter strengsten Hygiene- und Reinraumbedingungen Verpackungsglas für den Consumer HealthCare-Bereich sowie Chemikalien- und Laborflaschen für Unternehmen aus der Pharma- und der Chemieindustrie. Daneben werden am Standort auch Verpackungslösungen in Braun- und Klarglas entwickelt und produziert.

Die Form von Hohlglas entsteht dadurch, dass das in einer Glaswanne aufgeschmolzene zähflüssige Glas in hochwärmefeste Stahlformen geleitet und dort ausgebildet wird. Die Glastemperatur beträgt hier ca. 750 °C; deshalb sind die Formen aus nickelhaltigen Legierungen hergestellt. Dieser Werkstoff zeichnet sich durch hohe mechanische und Hitze-Festigkeit aus. Die Formen sind bei der Verwendung durch die hohen Temperaturen des Glases zwangsläufig einer  hohen Beanspruchung ausgesetzt. Deshalb werden die gefährdeten Oberflächen der Formen durch thermisches Spritzen geschützt. Durch den Materialauftrag werden verschlissene Kanten wieder aufgebaut. Nach dem Flammspritzen werden die Formenmerkmale exakt durch manuelles und maschinelles Handschleifen herausgearbeitet, also ziseliert. Beim Schleifen von Nickellegierungen entstehen nickelhaltige Schleifstäube.

Nickelmetall und zahlreiche Nickelverbindungen sind als krebserzeugend, keimzellmutagen (erbgutverändernd) und reproduktionstoxisch (fortpflanzungs­gefährdend) (KMR) sowie als haut- und atemwegssensibilisierend ein­gestuft. Bei unzureichendem Schutz können diese Stäube eingeatmet werden und in die Lunge gelangen. Das Unternehmen traf jedoch Schutzmaßnahmen und unterschritt den bisherigen Grenzwert deutlich. Die starke Absenkung des Arbeitsplatzgrenzwertes auf 0,006 mg/m³ erforderte jedoch eine grundlegende Umgestaltung der Absauganlage und der Erfassungssysteme für die Schleifstäube.

Aktivitäten

Gerresheimer nahm die Entwicklung einer Erfassungshaube in die eigenen Hände. Ziel war es, den neuen Arbeitsplatzgrenzwert dauerhaft sicher einzuhalten und die Funktionalität des Stauberfassungssystems für die Arbeit der Beschäftigten weiter zu verbessern. Die optimale Lösung für die Gesundheit der Beschäftigten sollte ergonomisch gestaltet und zudem wirtschaftlich sein. 

Ein Expertenteam aus Instandhaltern und den betroffenen Ziseleuren erstellt zunächst eine Absaughaube aus Karton als Prototypen. In der etwa 50 x 100 x 70 cm großen Haube konnten die Formen bearbeitet werden. Mit Hilfe von Rauch wurde die Absaugwirkung überprüft und die Haubengestaltung konnte so verändert werden, dass mit einer guten Absaugwirkung qualitativ hochwertige Ziselierarbeiten durchgeführt werden können. Der nächste Prototyp war dann schon aus Edelstahl mit einer Glasscheibe mit Beleuchtung. Die verbesserten Lichtverhältnisse ermöglichen eine gute Sicht auf die Bearbeitungsstelle an der Form und tragen so auch zur Verbesserung der Ergonomie bei. In mehreren Schritten näherte sich die Projektgruppe mit Unterstützung eines ortsansässigen Metallbauunternehmens der optimalen Lösung an. Die Beteiligung der Mitarbeitenden war hierbei außerordentlich wichtig. Ihr Fachwissen führte beispielsweise zu einer verschiebbaren Außenhaube, die eine anwenderfreundliche Bearbeitung der Formen bei gleichzeitiger Einhaltung der Grenzwerte ermöglicht.

Ergebnisse

Messergebnisse zeigen, dass der neue Grenzwert von 0,006 mg/m³ mit der neu gestalteten Absaughaube deutlich unterschritten wird. Die Funktionalität für die Beschäftigten beim Ziselieren wurde enorm verbessert. Die Kosten für die Eigenlösung von Gerresheimer liegen wesentlich unter den Standardlösungen für vergleichbare Erfassungshauben.

Besonderheit

Das Engagement aller Beteiligten und das Expertenwissen der berührten Mitarbeitenden führt zu einer besonders wirksamen, ergonomisch verbesserten und wirtschaftlichen Absaugung der gesundheitsbelastenden Stäube.

Zusatzinfo

Experten zur VBG informieren und beraten zur richtigen Absaugung. Wenden Sie sich gerne an Ihre zuständige Bezirksverwaltung. Die Kontaktdaten erhalten Sie hier durch Eingabe Ihrer Postleitzahl.

Zum Thema Nickel erarbeitete die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) den Berufskrankheiten-Report „Nickel und seine Verbindungen“. Dieser wurde unter Beteiligung des Präventionsfeldes Glas und Keramik der VBG erstellt und richtet sich vorwiegend an die Unfallversicherungsträger. Er liefert aber auch den Unternehmen Hintergrundwissen und Expositionsdaten für Arbeitsplätze in der Branche Glas und Keramik.

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