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Vom Computer an die Seitenlinie

Will Still als Co-Trainer des belgischen Erstligisten Standard Lüttich im Spiel gegen St. Truiden. Sint Truiden, April 2022 © Imago Images: Philippe Crochet

Ausnahmetrainer Will Still im Porträt

Wenn Virtualität zur Realität wird: Dieser Satz steht für die Laufbahn von Stade Reims-Trainer Will Still. Seine Trainerkarriere hat dieser nämlich vor allem seinen Fähigkeiten im Computerspiel Fußballmanager zu verdanken. Jahrelang zockte der 30-Jährige am Computer – heute zahlt der französische Erstligist 25.000 Euro Strafe pro Spiel, damit Still trotz fehlender Trainerlizenz für Stade Reims an der Seitenlinie stehen kann.

Ungewöhnliche Trainerlaufbahn

Der in England geborene, aber in Belgien aufgewachsene Still war in der Jugend selbst als Mittelfeldspieler aktiv, bevor er mit 17 Jahren seine aktive Fußballkarriere beendete, um sich vermehrt auf seine Karriere als Trainer zu konzentrieren. In seinen Anfängen war er häufig als Videoanalyst und Scout tätig und trainierte Jugendmannschaften in England. Mit nur 28 Jahren war er bereits bei zwei Profimannschaften als Cheftrainer tätig: In der Saison 2017/18 wurde er mit nur 24 Jahren Interimscoach beim belgischen Zweitligist Lierse SK. Trotz seiner erfolgreichen Bilanz als Trainer, musste Lierse ihn zwangsweise wieder zum Co-Trainer machen, da ihm die Trainerlizenz fehlte.

2021 machte er sein Debüt als Cheftrainer beim belgischen Erstligisten Beerschot V.A. und erreichte mit dem damaligen Abstiegskandidaten noch Platz 9. Nachdem er nach Saisonende jedoch wieder als Cheftrainer ersetzt wurde, wechselte er zu Stade Reims in die Ligue 1. Dort fungierte er zuerst wieder als Co-Trainer, bevor Reims ihn im Oktober 2022 zum aktuell jüngsten Cheftrainer in Europas Top-5-Ligen machte. Jedoch fehlt Still nach wie vor die nötige UEFA-Pro-Lizenz, weshalb Reims pro Spiel 25.000 Euro Strafe an den französischen Verband bezahlen muss.

Der ehemals abstiegsgefährdete Klub ist in 14 Spielen unter Still bisher ungeschlagen, aber der Erflog hat seinen Preis. Mit der steigenden Anzahl der Einsätze des Wunschtrainers steigt auch die Summe der Strafe für die Stade Reims: 350.000 Euro musste Reims insgesamt schon an den französischen Verband zahlen. Für die Franzosen dennoch gut investiertes Geld, denn mit fünf Siegen, sieben Unentschieden, darunter sogar zwei gegen Serienmeister PSG, in der französischen ersten Liga und zwei Siegen im Coup de France erfüllt der Belgier alle Ansprüche. Aktuell belegt Stade Tabellenplatz 10 in der Ligue 1 und ist weit vom Abstieg entfernt. Als Still sein Debüt gab, lag man noch auf Platz 17.


Verrückt: Football Manager als Erfolgsgeheimnis

Das abgefahrene an Stills Geschichte ist, dass er sich seine Fähigkeiten nicht nur als Scout, Videoanalyst oder auf der Tribüne beibrachte. In seiner Freizeit zockte er Tag und Nacht gemeinsam mit seinem älteren Bruder das PC-Spiel Football Manager. „Es hatte definitiv einen großen Einfluss auf mein echtes Leben! Dieses Spiel hat das Feuer in mir entfacht, dass ich jetzt als Trainer an der Seitenlinie habe.“

Im Spiel wählten sie ein Team, stellten Ihren Kader zusammen und perfektionierten das Game bis ins kleinste Detail. Still erzählte: „Es gab Nächte, in denen ich um 22 Uhr dachte: 'Okay, ein letztes Spiel.' Und dann endete das um vier Uhr morgens. Doch das Verrückte ist, wie realistisch das Spiel ist." Im Spiel managte er damals St. Truiden und verwendete die Spieldaten des Games auch für sein reales Scouting und machte aus Virtualität die Realität: "Es gab nichts Besseres als das, auch wenn es nur virtuell war! Und dann tat ich das plötzlich in der Realität. Ich erinnere mich, als ich in St. Truiden war, versuchte ich, die Liga auch im Spiel mit ihnen zu gewinnen!"


Ob es in Zukunft noch weitere Vereine geben wird, die freiwillig für Still Strafe zahlen wollen? Vielleicht sehen wir den großen West Ham United-Fan sogar schon bald an der Seitenlinie in der Premier League. Eins ist klar: Die hohe Geldstrafe für den nicht-lizensierten Trainer ist bisher jeden Cent wert.


Quelle: Gokixx

Foto: Imago Images/Philippe Crochet